22.10.2024

Mit Natur, antiker Weisheit und stetem Dazulernen – Domaine Cru de l’Hôpital

Christian Vessaz

Christian Vessaz, Betriebsleiter Cru de l’Hôpital

Die Geschichte dieses historischen Anwesens der Burgergemeinde der Stadt Murten geht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Das Weingut liegt direkt bei den Rebbergen und an der Route du Lac 200, etwas ausserhalb des Winzerdorfes Môtier am Murtensee. Der Name stammt von der Verwendung von Wein für medizinische Zwecke, in diesem Fall im Spital von Murten. Zum Betrieb gehören 13 Hektaren Reben auf «interkantonalem» Boden (FR/VD) der Weinregion Vully. Rund 40% der Trauben sind Chasselas und 25% Pinot noir. Die restlichen Traubensorten sind Spezialitäten wie Traminer, Pinot Gris, Chardonnay und Gamaret, aber auch Sauvignon Blanc und Viognier.

Christian Vessaz (46) leitet den Betrieb seit 2002, er ist Önologe, Winzer, Kellermeister und für den Vertrieb verantwortlich. Kulturleiter im Weinberg ist seit 2021 Gilles Tisserand. Zum Team gehören zudem die Winzer Johannes Niggli und Yoann Chenaux sowie die Lernenden (bis 2025) Arno Beuret und Marion Crausaz. Im Verkauf betreut Mégane Milliet die Kundinnen und Kunden.

Herausforderungen nehmen mit dem Klimawandel zu

Christian Vessaz ist vom Rebbau nach biodynamischen Methoden und den Richtlinien von Demeter voll und ganz überzeugt. Sogar am Tag anfangs August 2024, nach dem ein Hagelzug einen Grossteil seiner Trauben rund um das Weingut Cru de l’Hôpital vernichtet hat, das heisst von den Trauben, welche der grossflächige Befall mit Falschem Mehltau übriggelassen hatte. Ein trauriger Anblick! 2024 ist – wie schon 2021 – ein überaus schwieriges Jahr für die Bio-Winzer. Das Problem: Zwischen dem 15. April und dem 15. Juli 2024 gab es rund 60 Tage mit Regen, die Reben waren also fast ständig nass. Ein Klima wie in Schottland! Der Falsche Mehltau ist ein feuchtigkeitsliebender Pilz, der im biologischen Rebbau nur mit Kupferspritzungen bekämpft werden kann. Obwohl das erlaubte Maximum von 4 kg Kupfer pro Hektar in diesem Jahr ausgeschöpft werden musste, fielen 2/3 der Cru de l’Hôpital-Trauben dem Falschen Mehltau zum Opfer.

Christian Vessaz setzt zur Stärkung der Reben auf Teebehandlungen aus rund zehn verschiedenen Pflanzen und Kräutern.
Er erklärt:

«Wir kochen im Frühjahr rund 3'000-4'000 Liter Tee aus Brennnessel, Schachtelhalm, Weide, Faulbaum und vielen Kräutern. Diesen spritzen wir auf die Rebenblätter. In normalen Jahren wirkt und reicht das, nicht jedoch in Extremjahren wie 2021 und eben 2024.»

Der immer schneller werdende Klimawandel wird Extremereignisse wie Frost, Hagel, Trockenheit und Starkregen wohl weiter begünstigen und die Bio-Winzer:innen herausfordern. Einige Piwi (Pilzresistente) Rebsorten sind zwar schon zugelassen, doch Christian Vessaz hat sich für einen anderen Weg entschieden. Er will den anthroposophischen Lebensprinzipien treu bleiben: Durch Beobachtung und die erworbenen Kenntnisse die biologische Aktivität von Bakterien und Pilzen verstehen, um diejenigen zu stärken und zu fördern, die man wachsen sehen will, anstatt die Unerwünschten mit Pestiziden zu bekämpfen.

Es ist überaus faszinierend! Die Demeter-Vinifikation (seit 2013) und die Herstellung von Naturweinen (seit 2016) hat Vessaz das Verständnis der Sauerstoff-Frage gelehrt. Seither richtet er viel Aufmerksamkeit auf das Redox-Gleichgewicht (Oxidation-Reduktion). Der Bio-Winzer erklärt: «Um die Natur zu unterstützen und zu kräftigen, arbeiten wir auch im Weinberg gegen die natürliche Oxidation, welche mit der Sonne kommt. Der Oxidation ausgesetzte Reben sind viel empfindlicher gegen Mehltaus. Daher spritzen wir verschiedene fermentierte Extrakte, etwa von Brennnessel (ortie), von Kletten (bardane), vom Faulbaum (bourdaine) und anderen Pflanzen mit viel Antioxidantien, also Schutznährstoffen wie Tannin. Diese Pflanzen brauchen zum Vergären viel Sauerstoff, den sie – wie von uns gewünscht – dem Boden entnehmen. Ob zu viel Sonne oder zu viel Regen: Wir spritzen praktisch jede Woche Tees und Extrakte, um der Oxidation entgegenzuwirken.»

Tees, Aufgüsse, fermentierte Extrakte

Einige der im Rebberg verwendeten Tees und Extrakte produziert Christian Vessaz und sein Team selbst, so etwa aus Brennnessel, Salbei, Schachtelhalm oder Weide. Jede Pflanze will anders behandelt werden, die Dosis ist ebenso wichtig wie die Temperatur bei der Aufbereitung. Welche Parzelle gerade welche Behandlung benötigt, diktiert das Klima. Zur generellen Stärkung kommt ein Aufguss von Faulbaum zur Anwendung (das wertvolle Tannin stammt aus der Rinde), bei Trockenheit gelangt Brennnessel zum Einsatz, bei viel Feuchtigkeit Schachtelhalm. Christian Vessaz zeigt ein paar alte Pflanzenbücher, in denen viel von diesem überlieferten Wissen enthalten ist. Diese Anwendungen sind Wellness für die Reben, ein richtiges Verwöhnprogramm!

Christian Vessaz

Schweizer Premiere!
«WYN», Vin Nature-Nature, unfiltriert, ohne Kupfer und ohne Schwefel

Auf den Etiketten der Naturweine sind die im Rebberg verwendeten Pflanzen abgebildet (prêle = Schachtelhalm, osier = Weide, bardane = Kletten, ortie = Brennessel, bourdaine = Faulbaum, consoude = Beinwell). Eine schöne Hommage an die Kraftspender! Was die Etikette auch zeigt, ist die Quadratur des Kreises, die ewige Weitersuche für die Natur also. Das entspricht exakt Vessaz’s Motto fürs Weingut. Ein Maximum für die Natur forschen und machen!

Auf sein jüngstes Baby «Wyn» ist Christian Vessaz besonders stolz. Dieser Vin Nature-Nature wird nicht nur ohne Schwefel vinifiziert, nein, der mit Chasselas, Traminer und Pinot Gris bestockte Weinberg wird auch komplett ohne Kupfer in aufwändiger Permakultur gepflegt. Damit steht «Wyn» bislang schweizweit alleine in seiner Kategorie Nature-Nature. «Um diesen Wein möglich zu machen, musste ich viel Recherche- und Entwicklungsarbeit leisten.»

In diesen Mauern…

Das Gebäude des Betriebs Cru de l’Hôpital wurde 1972 gebaut, die Architektur an sich scheint auf den ersten Blick unspektakulär. Im Jahr 2021 hatte Christian Vessaz jedoch eine Intuition und bat einen Geo-Biologen um eine Analyse des Baus. Er fragte sich nämlich, warum ihm derart erfolgreiche Weine ohne Probleme mit Oxidation und Reduktion gelängen. Er hatte ein Gefühl oder besser eine Ahnung, dass etwas am Gebäude ihn in seiner Arbeit unterstütze. Und siehe da! Nach einer eingehenden Untersuchung und Vermessung stand fest: Die Proportionen der wichtigsten Räume, etwa des Weinkellers und des Versammlungssaals der Burgergemeinde, stehen im Einklang mit dem Goldenen Schnitt und anderen Elementen der Heiligen Geometrie. Auf diesen Proportionen, welche den Rhythmen der Erde und des Kosmos entsprechen, basieren schon die Pyramiden aus der Antike, der Parthenon-Tempel in Athen und die gotischen Kathedralen. Noch etwas ist speziell: Die Gebäudeachse verläuft nicht wie erwartet entlang der Seestrasse, sondern richtet sich exakt nach den Sonnenwenden. Genauer gesagt nach dem Sonnenaufgang am 21. Juni im Osten und dem Sonnenuntergang am 21. Dezember im Westen. Das Gebäude steht somit in einem Zehn-Eck, einem kraftspendenden Dekagon. «Es ist also kein Zufall: Diese Architektur unterstützt uns Menschen dabei, der Natur näher zu kommen. Und die Symbolik stärkt mich in meiner Arbeit.»

Galerie

Im Gespräch mit Christian Vessaz

Christian Vessaz (46), Önologe, Winzer und Kellermeister, leitet den biodynamischen Weinbau-Betrieb Domaine Cru de l’Hôpital seit 2002.

Christian Vessaz

Betriebsleiter Domaine Cru de l'Hôpital

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